P r o t o k o l l   e i n e r   v e r r ü c k t e n   W i e n e r   C a f e h a u s - T o u r

Visiting all Vienna Coffeehouses in one day ...
oder vielleicht besser: besuche so viele Kaffeehäuser an einem Tag in Wien wie möglich.


 
Dieser Gedanke verfolgte mich schon lange ... gesagt getan ...
Am 21. März 2006 war es dann soweit, ich bin aufgebrochen um Fotomaterial über Wiener Cafehäuser einzufangen, damit ich meine Cafehaus Internetseite weiter mit "Leben" füttern kann.

4:00 Uhr - der Wecker rappelt
4:40 Uhr - Abfahrt zum Flughafen Köln-Bonn

Direkt um sieben Uhr leider der erste kleine Ärger. Unser Flieger bekommt die Starterlaubnis erst mit 30 Minuten Verspätung. Verflixt, dabei hatte ich sorgfältig wie immer meinen Trip minutiös geplant - die ursprünglich eingeplante S-Bahn für den Transfer in Wien konnte ich nun vergessen. Aber dieses kleine Handicap konnte mich nicht aus der Bahn werfen - um 9:40 Uhr verlies ich die U-Bahn Stadion Wien Stephanplatz ...     Petrus schickt dazu strahlend blauen Himmel "Kaiserwetter" - endlich konnte es losgehen.

Zunächst noch schnell zwei "offene Rechnungen" vom letzten Wien-Trip begleichen, das heißt ein paar Fotos schießen von der jetzt komplett restaurierten Pestsäule und von der prunkvollen, barocken Peterskirche am Graben.

Ich hatte mir vorgenommen mindestens zehn der bedeutungsvollsten Cafehäuser in Wien zu besuchen. Als erstes ging es los zum Kohlmarkt zur K.u.K. Hofzuckerbäckerei Ch. Demel & Söhne. Hier spielte mir mein Glück schnell wieder zu: das Cafe öffnet erst um 10:00 Uhr, so war das Cafehaus noch fast leer, als ich um 10:10 Uhr die Räumlichkeiten betrat. In Ruhe konnte ich die leeren Räume mit den kleinen Marmortischchen und den Wiener Cafehausstühlen fotografieren. Keine Menschenseele die störend in der Gegend herum stand - so konnte ich dann auch die Schönheit des Cafe Demel (seit 1887 am Kohlmarkt) für einen Augenblick im Leben ohne Hektik genießen
:-))

10:40 Uhr - nur ein paar Schritte weiter am Michaelerplatz befindet sich das Cafe Griensteidl, ebenfalls eine Cafehaus-Legende, das nach vollständiger Renovierung erst wieder seit ein paar Jahren geöffnet hat. Heute das war mein erster Besuch in diesem Cafe. Da das Cafe neben der Hofburg und somit direkt in der Touristenmeile liegt, war das Cafe leider schon einigermaßen besucht, so daß ich nicht unbedingt die Fotos schießen konnte, wie ich es gerne gemacht hätte. Aber ich war mit meiner "Ausbeute" zufrieden. Noch ein kleiner Small-Talk mit einem netten Gast, dann schnell weiter zum Cafe Bräunerhof.

11:15 Uhr - die äußere Fassade lässt nicht vermuten, daß der Innenraum mit einem kleinen Juwel aufwartet. Ursprüngliche Cafehaustradition - zum Verweilen laden alte Armlehnsesselchen und Sofas an viereckigen Cafehaustischen ein. Ein paar Schritte Abseits der Touristenströme ist es hier früh am Morgen relativ leer. Nach dem betreten des Cafes sieht man zunächst den kleinen Schrank, auf dem die zahlreichen Tageszeitungen fein säuberlich sortiert für den Besucher bereit liegen. Nichts für mich heute - denn ich möchte ja nur ein paar Fotos schießen. Nach einem kurzen, netten Gespräch mit der Chefin des Hauses, in dem ich mir die Fotoerlaubnis holte, ging die Fotografiererei auch schon los. Schnell noch die Melange ausgetrunken und weiter gings ...

11:40 Uhr - das Cafe Hawelka, ein Künstlercafehaus aus dem Jahre 1939, hat heute, Dienstag Ruhetag. Aber ein paar Außenaufnahmen hatte ich schnell erledigt. Nach drei Tassen Kaffee am morgen, merkte ich, daß ich eine kleine deftige Unterlage bräuchte. Da bot sich der dem Hawelka gegenüberliegende Imbiss Trzesniewski hervorragend an - hier gibt es die leckersten belegten Schnittchen aus ganz Wien und Umgebung.

11:55 Uhr - über den Stock-im-Eisern Platz ging es ein Stück die Kärtner Straße ( Einkaufsstraße ) hinunter bis zur Himmelpforte. Hier befindet sich das Cafe Frauenhuber, seit 1842 an der Himmelspforte und damit heute das älteste Cafe Wiens, das ununterbrochen in Betrieb war. Auch hier hatte ich noch Glück - das Cafe war noch nicht so stark besucht wie ich es für diese Uhrzeit vermutet hätte. Im Gegenteil, ein paar Besucher haben das Cafe noch verlassen, so war es mir möglich schöne Aufnahmen zu machen. Zuvor hatte ich den Herrn Ober natürlich um Erlaubnis gefragt - vielen lieben Dank noch einmal - denn daraufhin bekam ich gleich noch eine Broschüre mit der ausführlichen Geschichte des Cafe Frauenhuber geschenkt und, zu meiner großen Freude, ich durfte noch ein Foto mit den netten Kellnern schießen
:-))

12:40 Uhr - mein Weg führte mich zu Fuß weiter über den Neuen Markt, vorbei am Cafe Tirolerhof, hier steckte ich nur mal kurz meine Nase hinein, um festzustellen, daß der Tirolerhof auf den ersten Blick einen positiven Eindruck hinterlässt. Aber der Tirolerhof spielte für mich heute keine Rolle - dafür aber das fast gegenüberliegende Cafe Mozart am Albertinaplatz. Hier wurde ich allerdings enttäuscht, denn von innen sah das Cafehaus nicht so aus, wie es auf den aktuellen, hauseigenen Internetseiten präsentiert wird. Da ich ja durch meine Flugverspätung schon spät dran war, entschloss ich mich hier heute keine Fotos zu machen und zog weiter ...

12:45 Uhr - ich bin angekommen an einem der bedeutungsvollsten Cafes Wiens - dem Cafe Sacher. Da ich schon des öfteren Gast in dem gediegenen und weltberühmten Cafe war, entschloss ich mich heute einmal das Sacher Eck auszuprobieren. Dies liegt im gleichen Gebäudekomplex, wie das Hotel und Cafe - allerdings ist es ganz im Stile einer modernen Cafebar eingerichtet. Ein kurzer Blick in die Kuchentheke lies mich überhaupt nicht mehr zweifeln - dieses kleine Nougatteilchen musste ich einfach verköstigen - dazu natürlich die nächste Melange… nicht gerade preiswert, dafür aber absolut köstlich ...

13:35 Uhr - mit der Tram ging es weiter über die Ringstraße bis zum Rathaus. Direkt neben dem Burgtheater befindet sich das Cafe Landtmann. Zur Eröffnung 1873 galt es als das eleganteste Cafe in Wien. Ich hatte kalkuliert, daß die vielen "Amtsschimmel" aus dem Rathaus, die hier ihre Mittagspause verbringen würden, schon wieder zu ihrer Arbeit zurückgekehrt wären - aber leider fasch gedacht. Das Cafe Landmann war sehr gut besucht und so musste ich mich hier mit meinen Fotografien stark zurückhalten. Mein Gespräch mit der Verkäuferin am Kuchenbuffet war jedoch sehr nett und ich durfte kurz im Geiste alle herrlichen Torten und Kuchenkunstwerke in der Auslage genießen ...

14:40 Uhr - mein persönliches Tageshighlight stand unmittelbar bevor, der Besuch des Cafe Central, seit 1860 im Palais Ferstel. Doch die übliche Eingangstür war verschlossen, ein Hinweisschild wies darauf hin, man sollte heute den Seiteneingang benutzen. Im inneren des Cafes hatte ich den Eindruck, ein Urlaubsdampfer voller italienischer Touristen ist gerade angekommen. Kurzum fragte ich den Ober, der mir erklärte, der normale Cafehausbetrieb startet heute erst um 17:00 Uhr - im Moment befindet sich gerade eine geschlossene Gesellschaft im Cafe Central. Ich musste also noch einmal wiederkommen ...

15:00 Uhr - zu Fuß ging es Richtung Karlsplatz, hier in der Nähe befinden sich das Cafe Museum und Cafe Sperl, die noch auf meinem Programm standen. Die Operngasse hinunter, vorbei an der Oper, liegt kurz vor dem Karlsplatz auf der linken Seite, Ecke Friedrichstraße das Cafe Museum. Kein geringerer als Adolf Loos war der Architekt, der dieses Cafe 1899 erbauen lies. Ob es an den schlechten, unbegründeten Internetkritiken oder an der Uhrzeit ( 15:25 )lag, das Cafe Museum war nicht gut besucht, was mir allerdings Freude bereitete, denn ich konnte in Ruhe fotografieren. Den kursierenden Berichten im Internet sollte man nicht glauben, das Cafe ist komplett renoviert und mir persönlich hat es hier wunderbar gefallen. Durch die ausgefallene Architektur hebt es sich von den anderen Cafehäusern deutlich ab. Auffallend nett auch die Bedienung - mein zweites Foto mit dem Herrn Ober war für mich heute im Kasten - dankeschön ...

15:55 Uhr - nachdem ich inzwischen meinen siebten Kaffee für heute getrunken und noch nichts deftiges gegessen hatte, machte ich einen kleinen Schlenker über den Naschmarkt, um mir schnell einen frischen Döner Kebab zu gönnen. Den konnte ich auch herrlich unterwegs auf der Faust verzehren, ohne das ich unnötig Zeit für das Essen verlieren würde. Ich war noch gar nicht fertig mit dem Döner, so groß war das Ding, da stand ich schon vorm Cafe Sperl. Schon von außen durch's Fenster konnte man die beiden riesengroßen Billardtische sehen, die in den Glanzzeiten Mittelpunkt der bedeutenden Cafes waren.

16:05 Uhr - nach dem deftigen Döner meinte mein Magen, er bräuchte jetzt unbedingt eine Sachertorte, die ich mir natürlich prompt neben einer Melange gönnte. Der Inhaber des Cafe Sperl hat sich besonders gefreut, als ich ihm erklärte, warum ich Fotos in seinem Cafe machen wollte. Gleich griff er unter die Ladentheke, um mir Unterlagen über das Cafe, nebst einem kleinem Büchlein mit Cafehaus Literatur zu schenken. Im Gegenzug versprach ich ihm meine Fotos per Email zukommen zu lassen. Da das Cafe ein wenig Abseits vom Touristentrubel liegt und die Vorstellung im Musicaltheater an der Wien erst in ca. 4 Stunden stattfinden würde, war das Cafe zu meiner Freude auch nicht überfüllt. Herrliche hohe Räume, mit klassischen Gardinen an den großen Fenstern, gemütliche kleine Sofas und Polstersesselchen neben den Cafehaustischen- und Stühlen - ein toller Anblick, man genießt noch immer das Ambiente aus dem Jahre 1880. Es war mein erster Besuch im Cafe Sperl und bestimmt nicht mein letzter, heute ist es aufgestiegen in den Olymp meiner Lieblingscafes in Wien !

16:50 Uhr - ein Jugendstiljuwel war mir laut Beschreibung noch angekündigt. Das Cafe Goldegg in der Nähe des Oberen Belvedere. Mit der U1 fuhr ich zum Südtiroler Platz, von dort ca. 5 Minuten zu Fuß und um 17:10 Uhr war ich dort. Hier hätte ich jetzt eigentlich wunderbar entspannen können. Nur wenige Einheimische saßen zusammen beim Würfeln und Kartenspielen. Das Cafe Goldegg ist aufgrund seiner Lage zum Glück überhaupt nicht zum Touristencafe geworden und so kann man hier noch das ursprüngliche Cafehausambiente in der markanten L-Form genießen. In der vorderen Hälfte der kleine Gastraum mit Theke, in der hinteren Hälfte ist auch hier der Billardtisch neben dem alten Kaminofen der Mittelpunkt. Hier scheint die Zeit wirklich noch ein wenig stehen geblieben zu sein...    Für mich heute leider nicht, denn ich wollte ja noch zu meinem persönlichen "Tageshöhepunkt"

17:40 Uhr - mit der Tram ging es zurück zum Cafe Central, diese Atmosphäre mit dem Mann am Klavier wollte ich noch einmal genießen und vor allem ein Foto zusammen mit Peter Altenberg machen, der noch heute täglich im Cafe Central direkt links neben dem Eingang sitzt und wahrscheinlich auch noch in den nächsten fünfzig Jahren, in denen ich ihm hoffentlich noch oft besuchen kann. Ein letzter gemütlicher Kaffee für heute, danach noch schnell ein kühles Bierchen dann wartete schon die S-Bahn auf mich, die mich heute um 18:56 Uhr pünktlich zurück zum Flughafen bringen sollte ...

22:45 Uhr - Wieder zu Hause angekommen, durfte ich meine liebe Frau in den Arm nehmen. Ich bedankte mich bei ihr mit einer Holzschachtel, gefüllt mit Edelpralinen, aus meinem Lieblingscafe Central.


Fazit:
Es war ein langer, anstrengender aber vor allem schöner Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Solange die Füße tragen, werde ich ihn bestimmt noch einmal wiederholen:
Besichtigt habe ich heute 13 Cafes - davon in elf einen Kaffee getrunken - mein Herz schlägt immer noch - ich weiß nicht ob schon vor lauter Sehnsucht nach dem nächsten Trip oder einfach vom vielen Kaffee...
 


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